Kontemplationen zur Verwirklichung

 
Savikalpa-Samadhi ist das Verweilen des Gedankens in dem zu erkennenden reinen Absoluten, ohne dessen Wesen anzunehmen und ohne die Dreiheit von Erfahrendem, Erfahrenem und Erfahrung aufzulösen. (820)
 
Obschon sich die höchste Wahrheit auch im Savikalpa-Samadhi als reines Sein offenbart, bleibt die Dreiheit von Erfahrendem, Erfahrenem und Erfahrung bestehen. Deshalb wird diese Art von Samadhi als 'savikalpa' bezeichnet. (822)
 
Indem der Gottsucher die Dreiheit mit Stumpf und Stil entwurzelt und das Gemüt in dem zu Erkennenden fest verankert, tritt der als Einheit mit dem Absoluten gekennzeichnete Nirvikalpa-Samadhi ein. (823)
 
Um sich von der Bindung an das Nicht-Selbst zu befreien, muss der Erlösung Suchende beide Arten von Samadhi, Savikalpa-Samadhi und Nirvikalpa-Samadhi, intensiv üben. (828)
 
Wenn er Samadhi verwirklicht, nehmen alle Erfahrungen des Nicht-Selbst ein Ende. Dann fallen sämtliche Hindernisse auf dem Weg zur Erkenntnis dahin und es herrscht immerwährende Glückseligkeit. (829)
 
Nirvikalpa-Samadhi erreicht, wer lange Zeit ununterbrochen auf vollkommene Art und Weise Savikalpa-Samadhi übt. (874)
 
Demjenigen, der fest im Nirvikalpa-Samadhi verankert ist, wird mit Sicherheit ohne jedes Hindernis Erlösung von Geburt und Tod, Unsterblichkeit und ewige, unveränderliche, endlose Glückseligkeit zuteil. (875)
 
Jene Gesegneten, die in Wahrheit im Höchsten Absoluten frei von Gedanken und Gefühlen wurzeln, sind fürwahr erlöst, auch wenn sie anderen Menschen, deren Bewusstsein in der Sinnenwelt weilt, als gewöhnliche Verkörperte vorkommen. (877)
 
Shri Shankaracharya "Das Herz des Vedanta"
 
 
Auf dieser Stufe (der Erfahrung des strahlenden Gewahrseins) werdet ihr natürlich von diesem Leuchten getäuscht, da ihr es noch nie als Avijja (Nichtwissen, Verblendung) gesehen habt. Wenn Achtsamkeit und Weisheit aber vollständig bereit sind, werdet ihr die Wahrheit ohne weitere Hilfe erkennen.
 
Die verunreinigenden Faktoren, die sich in Avijja versteckt halten, beinhalten einen Strahlglanz des Daseins, so außergewöhnlich, dass er ein fertiges Produkt zu sein scheint. Das ist ein höchst außergewöhnliches Gefühl von Glückseligkeit, das vom Strahlen des Citta kommt und den gesamten Bereich der konventionellen Realität zu transzendieren scheint.
 
Dieses Gefühl von Unverwundbarkeit ist so stark, dass es so scheint, als ob nichts es jemals schädigen könnte. Man schätzt und umklammert diese strahlende Natur, als ob sie Gold wäre. Das Avijja-Citta scheint alle guten Qualitäten zu besitzen. Es ist leuchtend hell, kühn, höchst zufrieden und die Qualität seines Wesens scheint grenzenlos. Doch trotz seiner Fähigkeit zu erkennen, sieht diese wissende Natur sich nicht selbst. Das ist die fundamentale Unwissenheit der wahren Avijja.
 
Sobald aber diese wissende Natur sich umdreht und auf sich selbst blick, zerfällt Avijja. Dieser Zerfall wiederum bringt die Wahrheit über Citta zum Vorschein und damit die Wahrheit über Dhamma (Dharma). Nur Avijja verdeckt die Wahrheit vor unserer Sicht.
 
Wenn diese Natur, die wir uns als so beeindruckend und erstaunlich vorstellen, sich letztendlich auflöst, erscheint etwas in seiner ganzen Fülle, das unmöglich beschreibbar ist. Diese Natur ist absolute Reinheit. Verglichen mit diesem Zustand von Reinheit, erscheint Avijja, die wir einst so ehrfürchtig geschätzt haben, wie Kuhmist. Die Natur, die Avijja verhüllte, erscheint dagegen wie pures Gold.
 
Maha Bua Nanasampanno "Arahattamagga, Arahattaphala" 
(Zitate aus dem Teil von S. 48 bis 58)
 
 
Durch diskursives Denken nehmt ihr die nicht-begriffliche Wahrheit nicht wahr. Der Ort des Nicht-Handelns wird durch irdische Aktivität nicht erreicht. Wollt ihr die Wahrheit jenseits von Begriff und Handeln erlangen, verweilt im bloßen Wissen (uranfängliche Weisheit, Jnana, absolute Wirklichkeit) frei vom Greifen nach Dualität.
 
Wenn ihr nach Ihm sucht, könnt ihr die Sicht nicht erkennen; hört auf zu suchen. Es kann durch Meditation nicht entdeckt werden; gebt daher eure tranceähnlichen Zustände und geistigen Bilder auf. Es kann durch keinerlei Handlungsweise erlangt werden; hört auf, nach der Welt der magischen Illusion zu greifen. Es kann durch Suchen nicht gefunden werden; gebt jede Hoffnung auf Resultate auf.
 
Das innere Wissen (jnana), von Anfang an rein, von Natur aus strahlend, geht über den Intellekt und die Objekte des Denkens hinaus; daher gibt es nichts zu sehen. Seine Essenz hat weder Wurzel noch Grundlage; daher gibt es nichts, über das wir meditieren könnten. Seine spontane Präsenz geht über alle Begrenzungen und Extreme hinaus.
 
Die Wahrnehmung des Yogi ist wie der Flugpfad, den ein Vogel am Himmel beschreibt. Sein Pfad verschwindet, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. So verschwindet die vorangegangene Wahrnehmung ohne jede Auswirkung - versucht nicht, Wahrnehmungen zu verlängern, indem ihr euch auf sie fixiert. Die Flugroute eines Vogels ist bis jetzt noch nicht existent: versucht nicht, die nächste Wahrnehmung vorweg zu nehmen. Der gegenwärtige Abdruck des Vogels am Himmel ist farb- und gestaltlos; die gegenwärtige Wahrnehmung ist eine gewöhnliche Form, die nichts Bemerkenswertes an sich hat - lasst sie wie sie ist, verunreinigt sie nicht (durch Konzepte) und verändert sie nicht.
 
Die Sicht ist ohne Ursprung, frei von Begrifflichkeit, zu jeder Veränderung fähig, denn in tiefer Sammlung (Samadhi) hat die Sicht keinen spezifischen Inhalt. Meditation ist ein natürlicher innerer Prozess des Freiseins; in tiefer Sammlung erschließt sich euch die Nicht-Meditation. Euer Verhalten ist die Aufführung einer magischen Illusion. Der Kern des Zieles ist die Abwesenheit von Hoffnung und Furcht; in tiefer Praxis verschwindet das Ziel.
 
Entspannt euch! Ruht im ursprünglichen Raum des Wissens (Jnana, der absoluten Wirklichkeit), der frei ist von Kommen und Gehen. Lasst los und lasst sein. Dann seid ihr auf alles vorbereitet und bleibt fest und standhaft, unerschütterlich wie ein Fels.
 
Shabkar  Tshogdrug Rangdröl "Der Flug des Garuda" 
(Zitate aus dem 17. Lied)
 
 
Der zentrale Punkt bleibt die Beseitigung der Unwissenheit. Und es ist diese Beseitigung der Unwissenheit, die dazu führt, dass man durch die endgültige Erkenntnis, sammadannavimutta, vollkommen befreit wird (MN III 30). Mit dieser endgültigen Erkenntnis ist ein innerer Zustand der Erlösung erreicht worden, in dem alles Anhaften vernichtet wurde und alle Triebflüsse versiegt sind (SN II 54).
 
So wie der Ozean nur einen Geschmack hat, nämlich den des Salzes, so haben auch alle Lehren des Buddha nur einen Geschmack, nämlich den der Befreiung (Ud 56). Mit dem Erreichen der endgültigen Befreiung wurde das heilige Leben gelebt und getan, was getan werden musste. Die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Geburt ist beseitigt und ein erneutes Werden in jeglicher Form wird es nicht mehr geben (z.B. DN I 84).
 
Durch die gewonnene Befreiung hat der edle Schüler oder die edle Schülerin diese enorme Menge an Unwissenheit durchdrungen, so wie ein geschickter Krieger mit seinem Pfeil große Objekte durchdringt (AN II 202).
 
Jemand, der die endgültige Befreiung des Geistes und die Befreiung durch Weisheit erreicht hat, hat den Querbalken gehoben, den Wassergraben gefüllt, den Pfeiler aus der Verankerung gehoben, die Türriegel zurückgezogen, das Banner gesenkt, die Last fallen gelassen und ist ungefesselt (AN III 84).
Der Querbalken steht für die Unwissenheit, der Wassergraben für das Weiterkreisen im Samsara, der Pfeiler für das Verlangen, die Türriegel für die fünf niederen Fesseln, und das Banner und die Last stehen für die "Ich bin"-Einbildung.
 
So im Geiste befreit stehen sie über der Welt wie eine Lotosblume, die sich über das Wasser erhoben hat (AN V 152).
 
Worte des Buddha, dargelegt von Bhikkhu Analayo in "Vom Verlangen zur Befreiung" 
(Zitate von den S. 159 und 160)
 
 
Jene, deren Triebe versiegt sind,
Die sich auf nichts mehr stützen,
Die in der Leerheit, Zeichenlosigkeit
Und in der Erlösung verweilen,
Ihre Spur ist nicht zu finden,
Wie die der Vögel im weiten Raum
 
Worte des Buddha, Dhammapada Vers 93 
 
 
 
 
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