Vertiefung

Die Welt als Illusion - Befreiung in der absoluten Wirklichkeit  

 

Das Unzerstörbare in uns, das „göttliche Licht“, das „Buddha-Wesen“, ist jenseits von Kommen und Gehen, jenseits von Geburt und Tod, jenseits von Raum und Zeit. Verborgen hinter den dunklen Schleiern unserer Leidenschaften und Vorstellungen, Anhaftungen und Abneigungen wartet es darauf, entdeckt zu werden. Wir sind auf das Schauspiel der Erscheinungen unseres denkenden Bewusstseins hereingefallen und halten sie für real. Dadurch sind wir in Samsara und dem sich wiederholenden Kreislauf von Geburt und Tod gefangen und haben unser Wahres Sein vergessen. Wie in einem Traum halten wir so auch die Projektionen von Welt, Raum und Zeit für real.

Als Lebewesen erzeugen wir ein Ich-Bewusstsein. Dadurch sehen wir uns als Individuum in einer Welt, die wir durch unsere persönliche Sichtweise wahrnehmen – wie durch eine Brille, die alles einfärbt und verzerrt. In dieser Dualität leiden wir tief in unserem Inneren an der Sehnsucht nach Erkenntnis der Wahrheit. Die ewigen, mit unserem Verstand nicht zu beantwortenden Seins-Fragen tauchen auf. Wir sind auf der Suche nach etwas, das wir nicht kennen aber in der Tiefe unseres Herzens erahnen. Wir nennen es Gott, Wahres Selbst, Wahres Wesen, Buddha-Wesen, letztendliches Sein oder Nirvana. 

So betreten wir den Weg nach Innen. Und dann...

Im Zustand der Befreiung löst sich die Dualität auf, das Ich, die Welt, alles Zeitliche und Dinghafte, auch alle Vorstellungen von Gott, Sein oder Nirvana verschwinden. Wir sind ES. Deshalb sagen die christlichen Mystiker „Gott ist in dir und du bist in Gott.“ Im Zen-Buddhismus heißt es entsprechend bei Meister Dogen „Du bist Buddhanatur.“

Das Wahre Selbst ist mit Gott identisch. Das Wahre Selbst ist Buddhanatur. Da es merkmallos, unnennbar, jenseits aller Vorstellungen ist, gibt es auf dieser letztendlichen Ebene auch keine Vorstellung von Gott und Selbst mehr. Deshalb ist das Wahre Selbst nicht zu erkennen, denn alles Erkennbare ist „Nicht-Selbst“, und die Mystiker nennen es Leerheit (Shunyata in Sanskrit).

Ich und Welt erscheinen zusammen. Das Selbst träumt ein Ich in der Menschenwelt zu sein. Deshalb heißt Buddha „der aus dem Traum Erwachte“. Im Erwachen verschmelzen Selbst und göttliches Sein. Welt und Ich sinken ins So-Sein, jenseits von Raum und Zeit – in die unaufhörliche Gegenwart.

© TextAni Karma Tsultrim
 
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© Foto: pict rider/adobestock